Drohnenlinie VSH-Genetik

Die Varroamilbe (Varroa destructor) stellt eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit und das Überleben von Honigbienen (Apis mellifera) weltweit dar. Um der Milbenlast entgegenzuwirken, haben sich verschiedene Verhaltensweisen bei den Bienen entwickelt, die unter dem Begriff Varroa Sensitive Hygiene (VSH) zusammengefasst werden. Dabei erkennen die Arbeiterinnen befallene Brutzellen, öffnen diese und entfernen die infizierten Larven, was die Fortpflanzung der Milbe stört. Die erfolgreiche Etablierung von VSH-Eigenschaften in einer Bienenpopulation erfordert jedoch eine gezielte genetische Selektion, insbesondere durch die Anpaarung auf Belegstellen, bei der die Drohnenlinie eine entscheidende Rolle spielt.

Genetische Anpaarung und die Rolle der Drohnenlinie

Auf Belegstellen wird die Anpaarung der Königinnen mit Drohnen gezielt gesteuert, um bestimmte Eigenschaften in der Nachzucht zu fördern. Für die Etablierung von VSH in einer Bienenpopulation ist die Drohnenseite von besonderer Bedeutung, da die männliche Linie die Hälfte des Erbguts der Arbeiterinnen stellt. Drohnen, die von VSH-tragenden Königinnen abstammen, tragen das genetische Potenzial für dieses Verhalten weiter. Eine Belegstelle mit einer hohen Dichte an Drohnen mit VSH-Genetik erhöht somit die Wahrscheinlichkeit, dass die nachgezogenen Königinnen ebenfalls diese wertvollen Eigenschaften vererben. Dies ist besonders wichtig, da VSH-Verhalten polygen vererbt wird, das heißt, mehrere Gene sind an der Ausbildung dieses Merkmals beteiligt. Ein gezieltes Management der Drohnenpopulation auf Belegstellen ist daher ein wirksames Mittel, um die Verbreitung von VSH in der Imkerei zu fördern (Harbo & Harris, 2005).

Abgrenzung zu Suppressed Mite Reproduction (SMR)

Ein ähnliches, aber dennoch abzugrenzendes Verhalten ist Suppressed Mite Reproduction (SMR). Bei SMR handelt es sich um eine genetische Eigenschaft, bei der die Vermehrungsfähigkeit der Varroamilbe innerhalb der Brutzellen reduziert ist. Dies führt zu einer geringeren Anzahl von Nachkommen pro Milbe. SMR kann in Populationen mit hohem VSH-Verhalten vorkommen, da die Bienen durch ihr hygienisches Verhalten auch Milben selektieren, die sich weniger erfolgreich vermehren. Allerdings ist die Identifizierung und Selektion von SMR im Vergleich zu VSH weitaus schwieriger und erfordert umfangreiche und langwierige Tests, da die Reproduktionsfähigkeit der Milben direkt in der verdeckelten Brut beobachtet werden muss (Büchler et al., 2010). Die Einführung von SMR in eine Population erfordert daher deutlich mehr Aufwand und ist weniger praktikabel als die Selektion auf VSH-Eigenschaften.

Grooming und Recapping: Rezessive Vererbung und Zusammenhang mit VSH

Weitere Verhaltensweisen, die in Zusammenhang mit der Varroaresistenz stehen, sind das Grooming und Recapping. Beim Grooming entfernen sich die Bienen aktiv Milben von ihrem Körper oder helfen anderen Bienen dabei. Recapping bezeichnet das erneute Verschließen von bereits geöffneten Brutzellen, nachdem eine Milbe entfernt wurde. Beide Eigenschaften sind genetisch rezessiv, was bedeutet, dass sie in reinerbiger Form (homozygot) vorliegen müssen, um ausgeprägt zu sein (Oxley et al., 2010). In Kombination mit VSH-Eigenschaften können sie jedoch zu einer insgesamt verbesserten Resistenz führen, da sie die Effizienz der hygienischen Verhaltensweisen unterstützen. VSH-Bienen erkennen oft befallene Zellen anhand spezifischer Signale wie veränderten Brutzellendeckeln und eröffnen diese zur Entfernung der Milben. Eine hohe Recapping-Rate weist darauf hin, dass die Bienen die Zellen inspizieren und kontrollieren, auch wenn sie nicht immer alle befallenen Puppen entfernen. Dieses Verhalten zeigt, dass Grooming und Recapping eng mit VSH verbunden sind und die Selektion auf diese Merkmale in der Zucht berücksichtigt werden sollte (Boecking & Spivak, 1999).

Die Etablierung von Varroa Sensitive Hygiene (VSH) in einer Bienenpopulation ist ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Varroamilbe. Die gezielte Anpaarung auf Belegstellen, insbesondere die Kontrolle über die Drohnenlinie, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Im Vergleich dazu ist die Selektion auf Suppressed Mite Reproduction (SMR) mit einem hohen Aufwand verbunden und daher weniger praktikabel. Grooming und Recapping ergänzen das VSH-Verhalten, sind jedoch rezessiv vererbt. Eine erfolgreiche Zuchtstrategie sollte daher alle diese Eigenschaften berücksichtigen, um langfristig widerstandsfähige Bienenpopulationen zu entwickeln, die auch ohne den Einsatz von chemischen Varroa-Bekämpfungsmitteln überleben können.

Regionale Etablierung von VSH-Genetik durch Belegstellen

Die erfolgreiche Verbreitung von Varroa Sensitive Hygiene (VSH) in Bienenpopulationen erfordert eine gezielte und koordinierte Zuchtstrategie, die über die individuellen Bienenvölker hinausgeht. Eine effektive Methode zur regionalen Etablierung von VSH-Genetik ist der Einsatz von Belegstellen wie die Belegstelle Glashütte, die strategisch in verschiedenen Regionen verteilt sind. Diese Belegstellen dienen als zentrale Orte, an denen Königinnen gezielt mit Drohnen verpaart werden, die VSH-Eigenschaften tragen. Durch die gezielte Selektion von Drohnenvölkern, die eine hohe Ausprägung von VSH zeigen, kann sichergestellt werden, dass die nachgezogenen Königinnen ebenfalls diese wichtigen Verhaltensmerkmale in einem erhöhten Maße weitervererben. Die Verteilung solcher Belegstellen über eine Region hinweg schafft ein Netzwerk von genetischen „Hotspots“, die dazu beitragen, die VSH-Genetik schrittweise in die lokale Bienenpopulation zu integrieren.

Ein weiterer Vorteil dieser Strategie ist, dass auch Imker, die selbst keine umfassenden Kenntnisse in der Zucht besitzen, durch den Erwerb von Königinnen von diesen Belegstellen von den verbesserten Eigenschaften profitieren können. Dies führt zu einer breiten Verteilung der VSH-Eigenschaften in der regionalen Imkerschaft und erhöht die allgemeine Varroaresistenz der Bienenvölker in der Region. Langfristig kann durch die flächendeckende Verbreitung von VSH-Genetik der Einsatz von chemischen Varroa-Bekämpfungsmitteln reduziert werden, was sowohl ökologisch als auch ökonomisch vorteilhaft ist (Büchler et al., 2014). Solche Initiativen fördern die Resilienz der Bienenvölker und tragen zur nachhaltigen Imkerei bei, da sie die genetische Diversität und Widerstandsfähigkeit der lokalen Bienenpopulationen stärken.

Literaturverzeichnis

Boecking, O., & Spivak, M. (1999). Behavioral defenses of honey bees against Varroa jacobsoni Oud. Apidologie, 30(2-3), 141-158. https://doi.org/10.1051/apido:19990205

Büchler, R., Berg, S., & Le Conte, Y. (2010). Breeding for resistance to Varroa destructor in Europe. Apidologie, 41(3), 393-408. https://doi.org/10.1051/apido/2010011

Harbo, J. R., & Harris, J. W. (2005). Suppressed mite reproduction explained by the behaviour of adult bees. Journal of Apicultural Research, 44(1), 21-23. https://doi.org/10.1080/00218839.2005.11101141

Oxley, P. R., Spivak, M., & Oldroyd, B. P. (2010). Six quantitative trait loci influence task thresholds for hygienic behaviour in honeybees (Apis mellifera). Molecular Ecology, 19(7), 1452-1461. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1365-294X.2010.04569.x